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Anpassung der Schuldenbremsen

Die Schuldenbremsen im Kanton Bern sollen angepasst werden. Neben einer Verwendung von Finanzierungsüberschüssen aus Vorjahren soll in Krisensituationen und zur Finanzierung von Investitionen eine zeitlich begrenzte Neuverschuldung ausnahmsweise zugelassen werden können.


Der Grosse Rat hat die Finanzkommission (FiKo) im Herbst 2020 mit der Ausarbeitung eines Umsetzungsvorschlags für eine Anpassung der Schuldenbremse beauftragt. Auslöser dafür war die parlamentarische Initiative 189-2019 (Köpfli, glp) «Mehrjahresbetrachtung bei der Schuldenbremse für die Investitionsrechnung».

Finanzierung des anstehenden Investitionsmehrbedarfs sicherstellen
Die aktuellen Schuldenbremsen verpflichten den Kanton, Überschüsse in der Erfolgsrechnung sofort und vollständig zum Schuldenabbau zu verwenden. Kernanliegen der parlamentarischen Initiative ist es, die erwirtschafteten Überschüsse aus den Vorjahren zur Finanzierung der anstehenden Investitionsvorhaben verwenden zu können. Weil in den nächsten Jahren kaum Überschüsse zu erwarten sind, schlägt die FiKo weiter vor, dem Grossen Rat die Kompetenz zu erteilen, zur Finanzierung eines ausserordentlichen Investitionsmehrbedarfs mit qualifiziertem Mehr eine zeitlich begrenzte Neuverschuldung ausnahmsweise zulassen zu können.

Einführung eines Krisenartikels
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass der Berner Schuldenbremse ein «Krisenartikel» fehlt, der es ermöglicht rasch und angemessen auf ausserordentliche Ereignisse zu reagieren. Die Vorlage enthält den Vorschlag, dem Grossen Rat bei zukünftigen ausserordentlichen Ereignissen die Kompetenz zu erteilen, die Anwendung der Schuldenbremsen mit qualifiziertem Mehr für eine begrenzte Zeitdauer ausser Kraft zu setzen. Im Übrigen werden Begriffe der aktuellen Praxis angepasst und Kennzahlen modernisiert. In den Übergangsbestimmungen wird eine Laufzeit von 15 Jahren zur Abarbeitung der allfällig durch die Corona-Krise verursachten Neuverschuldung eingefügt.

Variantenvorschläge in zwei Punkten
Die Vorlage enthält Varianten zu zwei Elementen: Einerseits geht es um die Festlegung der Höhe der Quoren für Abweichungen von den ordentlichen Bestimmungen: Die Mehrheits-Variante I will das nötige Quorum in allen Fällen bei 96 Stimmen festschreiben (drei Fünftel-Mehrheit), während die Minderheits-Variante II zwischen den Quoren von 81 Stimmen (Mehrheit der Mitglieder) und 96 Stimmen (drei Fünftel-Mehrheit) unterscheidet. Andererseits stellt sich die Frage, ob Aufwandüberschüsse in der Erfolgsrechnung erlaubt sein sollen, wenn der Kanton über Eigenkapital (im finanztechnisch weiten Sinn) verfügt (Variante II, Minderheit) oder sollen dazu Bilanzüberschüsse (Eigenkapital im finanztechnisch engen Sinn) vorhanden sein müssen (Variante I, Mehrheit).

Bewährte Elemente der bestehenden Schuldenbremsen bleiben erhalten
Mit den beantragen moderaten Änderungsvorschlägen zur Anpassung der Schuldenbremsen sollen die Schuldenbremsen an die neuen Herausforderungen angepasst werden. Das oberste Ziel des Schuldenabbaus bleibt jedoch bestehen und die zentralen Elemente der bisherigen Schuldenbremsen werden beibehalten: Grundsätzlich sollen keine Defizite budgetiert werden. Wenn diese in der Rechnung trotzdem eintreten, müssen sie umgehend kompensiert werden. Zudem müssen die Investitionen in der Regel aus eigenen Mitteln finanziert werden.

Die Schuldenbremse hat sich in der Vergangenheit absolut bewährt – die Grundlagen wurden in den 1990er Jahren eingeführt, als die Kantonsfinanzen arg in Schieflage geraten sind. Dank der Schuldenbremse konnte die missliche Lage verbessert werden. Aus Sicht der Berner KMU ist an der bewährten Schuldenbremse in der heutigen Ausgestaltung festzuhalten, auf eine Aufweichung ist zu verzichten.

Beim Thema des SNB-Gewinnausschüttungsfonds und des Fonds für Spitalfinanzierungen (Vernehmlassung August 2021) wurde die Thematik bereits andiskutiert. Nachstehend ein Zitat aus den Vernehmlassungsunterlagen:

«Nach der Ablehnung der Fondslösung trat eine Delegation des Regierungsrates in einen Dialog mit den Präsidien der Finanzkommission (FiKo) und der Bau-, Energie-, Verkehrs- und Raumplanungskommission (BaK). Gemeinsam wurden in drei Treffen zwischen Herbst 2019 und Frühjahr 2020 Möglichkeiten für die Finanzierung des in den kommenden Jahren stark steigenden Investitionsbedarfs diskutiert. Im Dialog einigten sich die Teilnehmenden auf die vertiefte Prüfung dreier Schwerpunktthemen:

  1. Eine Anpassung der Schuldenbremse für die Investitionsrechnung,
  2. die Verwendung nicht verpflichteter Fondsguthaben sowie
  3. eine Priorisierung, Etappierung und Redimensionierung des Investitionsbedarfs»

Wir standen dem Gesetz positiv gegenüber (daraus wird immerhin ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag freigesetzt), haben in der Stellungnahme jedoch klar darauf hingewiesen, dass dies nicht zu einer Aufweichung der Schuldenbremse führen darf.

In der Vernehmlassung stand, dass die Anpassung der Schuldenbremse für die Investitionsrechnung überprüft wird. Die Vorlage umfasst nun aber auch Lockerungen für die Schuldenbremse für die Erfolgsrechnung (diese soll bei ausserordentlichen Ereignissen für eine festzulegende Zeitdauer ausser Kraft gesetzt werden können), was nicht stringent ist und unseres Erachtens zu weit geht.

Obwohl mehrfach betont wird, dass die Hauptanliegen der Schuldenbremse weiterhin Gültigkeit haben, wird diese durch die Anpassungen wie folgt aufgeweicht:

  • Die bisher auf Verfassungsstufe detailliert geregelte Schuldenbremse soll nun weitgehend in das Gesetz überführt werden; dies, um bei weiteren Anpassungen tiefere politische Hürden nehmen zu können.
  • Die ausgedehnte Mehrjahresbetrachtung mit Kompensation von Überschüssen aus Vorjahren mit Defiziten der zukünftigen Jahre führt zwar zu mehr Flexibilität, gleichzeitig aber dazu, dass das zentrale Anliegen der Schuldenbremse (nachhaltiger Schuldenabbau) über einen längeren Zeitraum praktisch ausser Kraft gesetzt wird.
  • Der Grosse Rat erhält je nach angedachter Variante (teilweise mit tieferen Quoren) deutlich mehr Kompetenzen, was nicht der Sinn der Sache sein kann. Die Formulierung, dass die Schuldenbremse bei ausserordentlichen Ereignissen angepasst werden kann, ist sehr «schwammig» formuliert und lässt sinngemäss (zu) grossen Spielraum zu.

Die bestehende Lösung bietet unseres Erachtens ausreichend Flexibilität. Die langfristige Finanzstabilität des Kantons ist gegenüber kurzfristigen Investitionsimpulsen vorzuziehen. Die Zinsenlast ist derzeit angesichts des nach wie vor historisch tiefen Zinsniveaus zwar verkraftbar. Laufen die Schulden aber aus dem Ruder und kommt Bewegung in die Zinsfront (was aufgrund der Inflationstendenzen in den nächsten Jahren absehbar ist), kann sich daraus rasch ein toxischer Mix ergeben. Unliebsame Steuererhöhungen könnten zum Thema werden.

 

Stellungnahme Berner KMU an die Parlamentsdienste des Grossen Rates

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